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Pressekonferenz von Bundeskanzler Schröder
am 8. Juli in Gleneagles

STS ANDA: Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Abschlusspressekonferenz in Gleneagles. Der Bundeskanzler hat das Wort!

BK SCHRÖDER: Meine Damen und Herren, ich glaube, dass jeder spürt und die letzten Stunden auch gespürt hat, dass der Gipfel natürlich durch den barbarischen Anschlag in London ein anderer geworden war. Das betrifft die Art und Weise der Diskussion, aber natürlich auch die Überlagerung der Gespräche neben den offiziellen Gesprächen, was dieses Thema angeht; das kann keine Frage sein. Ich denke, jeder, der mit den Menschen, die Opfer sind, mit ihren Angehörigen, mit dem britischen Volk und mit seiner Regierung mitfühlt, kann das eigentlich gar nicht anders sehen. Insofern ist es natürlich schon so gewesen, dass die Aufbruchstimmung, die wir in der Sache sicherlich auch erzielt haben, durch die Ereignisse in London natürlich gedämpft - nicht gebrochen - worden ist.

Trotzdem glaube ich, es war richtig, dass die britische Präsidentschaft entschieden hat, zu sagen: Wir lassen uns unsere Agenda nicht von Terroristen diktieren. Das, was wir uns zu entscheiden vorgenommen haben und was auch nicht unerheblich dazu beiträgt, die Wurzeln von Terrorismus auszutrocknen, werden wir zu Ende führen, und zwar zu einem guten Ende. Deswegen würde ich glauben, dass dieser Gipfel trotz aller Tragik, die auf ihm liegt, in der Sache durchaus erfolgreich war.

Was ist vereinbart worden? - Zunächst einmal: Die beiden großen Themen waren Klima und Afrika. Aber ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass beides - vor allen Dingen das Klima-Thema - natürlich eng mit dem zusammenhängt, wofür diese Gipfel einmal geschaffen worden sind, nämlich für die Diskussion über weltwirtschaftliche Probleme. Deswegen war es wohl richtig, darauf hinzuweisen, dass insbesondere das Klimathema eng mit den ökonomischen Fragen zusammenhängt, weil Energie und Energiepolitik natürlich auch eine Basis für die wirtschaftliche Entwicklung in der Welt sind.

Es war sehr interessant für mich, zu erfahren, wie Indien und China, aber auch die afrikanischen Länder dieses Klima-Thema behandeln, nämlich als ein Thema, das sie nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch beschäftigt. Denn hohe Ölpreise schaden uns - keine Frage; ich habe Ihnen die Zahlen ja gestern genannt, die es dazu gibt -, aber schaden natürlich noch mehr den Entwicklungsländern. Denn deren Ölrechnung steigt, ohne dass sie die technologischen Möglichkeiten haben, gegenzusteuern. Deswegen hat sich die Diskussion in diesem Feld auch insbesondere um die Frage gedreht: Was habt ihr anzubieten? - Dabei hat Deutschland in den letzten Jahren ja eine Menge anzubieten gehabt. Wir sind führend bei der Solarenergie - wir sind Weltmarktführer -, wir sind führend bei der Gewinnung von Strom aus Wind - wir sind Weltmarktführer -, und wir können unsere technologischen Möglichkeiten anderen zur Verfügung stellen. Es ist nicht uninteressant, wenn China - schon in Bonn auf der Konferenz über erneuerbare Energien - sagt, 10 % dessen, was es an Energie braucht, soll aus erneuerbaren Energien kommen. Ich habe mit dem chinesischen Präsidenten gesprochen, und dabei gibt es weite Felder einer guten Zusammenarbeit und Zusammenarbeitsmöglichkeiten.

Dass zum ersten Mal das Kyoto-Protokoll von allen als ein Instrument akzeptiert worden ist, will ich nicht überschätzen, weil ich darin noch nicht sehe, dass die Amerikaner sagen "Wir sind mit Kyoto einverstanden", aber immerhin begreifen sie es als ein denkbares Instrument. Es gibt jenseits dessen gute Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf technologischem Gebiet, also, (wenn es darum geht,) wie man mit der Hilfe für mehr Einsparung und für einen sorgfältigen Umgang mit den Energieressourcen umgeht, und darum, was man bei den erneuerbaren Energien machen kann. Das sind Themen, die inzwischen auch in Amerika keine Randthemen mehr sind.

Zweitens: Afrika. Noch einmal: Die thematisierte Stufenfolge ist gut. Wir haben 1999 mit der Entschuldung begonnen - HIPC-Initiative -, gekoppelt an das, was man "good governance", also gute Regierungsführung, nennt, die Bekämpfung der Korruption und die Lenkung der Mittel in Wasserversorgung, Gesundheit und vor allen Dingen Bildung, ohne Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen zu machen. Das ist in den Diskussionen mit den Führern der afrikanischen Staaten bestätigt worden. Wir haben deutlich gemacht, dass wir es ernst meinen, was die Ziele, die wir in Europa vereinbart haben - 0,51 %  2010 und 0,7 %  2015 -, angeht. Das wird kein leichter Ritt, und wir brauchen dazu nicht nur vernünftige Budgets, sondern auch vernünftige Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb der Budgets. Aber ich fand es schon richtig, dass man deutlich gemacht hat und sich auch auf eine Schätzung der OECD eingelassen hat, die gesagt hat: Wenn ihr das hinbekommt - bestimmte Wachstumserwartungen vorausgesetzt -, dann sind schon 25 Milliarden zusätzlich für Afrika drin. - Das zu bestätigen, fand ich schon richtig.

Aber auch heute ist es wieder darum gegangen, dass die afrikanischen Staats- und Regierungschefs - übrigens auch durch sie selbst eingebracht - gesagt haben: Ihr könnt so viel geben, wie ihr wollt. Wenn ihr eure Märkte nicht öffnet und wenn ihr eure Exportsubventionen insbesondere für Agrarprodukte nicht abstellt, dann wird das Geld nicht die Wirkung entfalten, die es entfalten müsste. - Deswegen muss ich dazu ganz entschieden sagen: Wir müssen in Hongkong bei der WTO-Runde, der Doha-Runde, weiter kommen. Wir müssen erreichen, dass die Märkte geöffnet werden, nicht nur für Agrarprodukte, sondern auch für das, was die an einfachen industriellen Produkten anzubieten haben. Ich hoffe, es ziehen alle mit. Deutschland ist dabei sicherlich in einer sehr guten Position, weil alle wissen, dass wir vom Welthandel leben, aber auch geneigt und bereit sind, unsere eigenen Märkte zu öffnen. Das ist, denke ich, ein ganz wichtiger Aspekt, der eine große Rolle spielt.

Die Impfkampagne werden wir machen. Das ist überschaubar. Dafür braucht man keine Finanzierungsinstrumente anderer Art und vor allen Dingen keine, die die Banken reich machen; denn das ist nicht der Sinn von Entwicklungshilfe. Ich finde, das sind honorige Institutionen, wie auch immer sie heißen, aber man muss sie ja nicht mit der Entwicklungshilfe füttern. Dabei geht es um andere Fragen, denke ich jedenfalls. Das ist verstanden worden. Vielleicht wird der eine oder andere Finanzminister - in welchem Land auch immer - in der Bewertung etwas zurückhaltender sein, aber ich finde es schon ganz gut, dass das klar gemacht worden ist.

Ich denke, dass wir deswegen in den großen Themen - sowohl, was die Entwicklung der Weltwirtschaft und den Ölpreis in Verbindung zur Energiefrage angeht, als auch, was Afrika und die Fragen des Klimawandels angeht - wirklich zufrieden sein können. Dabei ist viel auf den Weg gebracht worden. Das muss man jetzt verstetigen. Die Aufgabe wird sein, dass das nicht wieder in den Hintergrund gedrängt wird. Denn dieser Kontinent ist schwierig. Es gibt hoffnungsvolle Zeichen in vielen Ländern, und es gibt das Gegenteil. Heute Mittag haben viele der afrikanischen Staats- und Regierungschefs über die Basis von Frieden und Sicherheit als Voraussetzung für gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung geredet, und das kann man nur unterstützen. Was die Afrikanische Union in der letzten Zeit im Sudan und anderswo auf den Weg gebracht hat - unterstützt im Wesentlichen durch die EU -, kann sich sehen lassen. Das muss man ausbauen. Das wird ein langer Weg. Niemand erwartet kurzfristige, berauschende Erfolge. Das wird ein langer, gleichwohl auch für unseren Kontinent notwendiger Weg werden.

Ich gehe hier also weg mit - aus Gründen, die ich Ihnen erläutert habe - gemischten Gefühlen, aber keineswegs nur mit Zurückhaltung, sondern bei allem, was passiert ist, sind die Themen doch so behandelt worden, wie sie es verdienten.

STS ANDA: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler! - Wir kommen zu Ihren Fragen. Herr Heller, bitte!

FRAGE: Ich habe zwei Fragen, zum einen zu einer Unklarheit. Sie sagten "Die Impfkampagne machen wir". In der Erklärung steht die Impfkampagne nicht als eine der Beschlüsse, sondern als etwas, was man noch überlegt. Dabei ist offenbar eine Änderung eingetreten.

Die zweite Frage: Es geht doch um sehr große Volumina, die hier im Hinblick auf Afrika beschlossen worden sind. Auch dabei fehlt mir im Moment die Finanzierungsseite.

BK SCHRÖDER: Zunächst einmal: Diese Impfkampagne steht im Anhang der Dokumente. Wenn Sie sich das genau anschauen, werden Sie das feststellen. Dabei geht es um überschaubare Summen: 4 Milliarden in den nächsten zehn Jahren. Das lässt sich aus Haushaltsmitteln bestreiten, und das wollen wir auch tun.

Ich sage es noch einmal: Das andere ist, den Schuldenerlass weiterzuführen, ist das Budget und ist, dass bezüglich Finanzinstrumenten, die wir diskutiert haben und die wir weiter diskutieren werden müssen, noch gearbeitet werden muss. Das ist gar keine Frage.

FRAGE: Herr Bundeskanzler, es gab die große Kampagne "Make Poverty History". Haben Sie das Gefühl, dass es, wie es der britische Premierminister vorhin gesagt hat, in der Tat möglich ist, Armut auch in Afrika in einem überschaubaren Zeitraum - 10 bzw. 15 Jahre - Geschichte werden zu lassen? Sind Sie wie er auch der Auffassung, dass das, was heute beschlossen worden ist, Millionen Menschenleben retten kann?

BK SCHRÖDER: Zunächst einmal: Ich glaube, dass man weiter kommen kann. Die Staats- und Regierungschefs aus Afrika, die da waren, haben auch gesagt, dass es hoffnungsvolle Ansätze gibt. Die stehen am Anfang eines langen, langen Weges. Ich will zu den Zeiträumen nichts sagen, weil das immer etwas schwierig ist, wie wir aus den innenpolitischen Diskussionen bei uns ja vielleicht wissen. Aber ich denke, dass wir auf einem richtigen Weg sind und dass wir ihn auch wirklich mit Entschiedenheit gehen müssen.

Ob alle Erwartungen in Erfüllungen gehen werden, will ich einmal offen lassen. Wenn man das Thema nicht aufgibt, wenn es auf den nächsten Gipfeln - das ist vorgesehen - weiter behandelt wird, wenn man auch so etwas wie Controlling dessen, was erreicht wird, macht und wenn vor allen Dingen, was heute übrigens (der Fall und) für mich sehr interessant war, von den Staats- und Regierungschefs selbst gefordert wird, dass sie eigene Anstrengungen unternehmen müssen, dass sie Korruption bekämpfen müssen und dass sie ihre innere Verfassung in Ordnung bringen müssen, dann gibt es, glaube ich, dort durchaus Hoffnungen. Ob sich die Zeiträume werden einhalten lassen, will ich einmal dahin gestellt sein lassen, aber das ist schon ein wichtiges Thema, übrigens auch für uns selbst. Das ist nun wirklich ein Nachbarkontinent. Der japanische Premier hat immer darauf hingewiesen, dass die (Japaner) sehr viel tun, was auch stimmt, obwohl sie weiter weg sind. Wir sind sehr nah dran.

FRAGE: Die Briten wollten die Hilfen im Prinzip viel schneller auf diese im Kommunikee genannten 50 Milliarden aufstocken. Wer hat die britische Präsidentschaft warum daran gehindert?

BK SCHRÖDER: Ich glaube nicht, dass "die Briten" das wollten, sondern es ist im Kreise derer, die das diskutiert haben, einfach eingeschätzt worden, ob eine über Kredite organisierte Vorfinanzierung erstens die Absorptionsfähigkeit der Länder in Frage stellt und, zweitens, ob man daran Leute verdienen lässt, die nicht unbedingt an Entwicklungshilfe verdienen müssen. Ich habe ja nichts gegen bestimmte Finanzinstitutionen, wie Sie alle wissen, aber ich finde, dass Vorschläge, die die unters Volk gebracht haben und an denen sie kräftig verdient hätten, nicht unbedingt mit der nötigen Entwicklungshilfe in den Ländern zu tun haben, um die es geht. Ich sage es also einmal so: Afrika zu helfen, ist ein wichtiges Ziel. Goldmann Sachs braucht keine Hilfe.

FRAGE: Herr Bundeskanzler, noch einmal kurz zum Klimawandel und der Erklärung dazu: Haben Sie, wenn Sie diesen Text jetzt durchlesen, das Gefühl, dass die Europäer die Amerikaner mit ins Boot geholt haben?

BK SCHRÖDER: Ich glaube, dass man sich näher gekommen ist.

FRAGE: Herr Bundeskanzler, haben Sie Ihren Partnern gesagt, dass Sie sie nächstes Jahr in Russland wieder sehen werden, oder haben Sie abends bei einem Glas Wein auch dem Gedanken nachgehangen, dass dies möglicherweise Ihr letzter Gipfel gewesen sein könnte?

BK SCHRÖDER: Ich verstehe Ihre Frage nicht. Aber Sie werden das Nötige schon dazu schreiben. Dessen bin ich ganz sicher, wenn ich mir das anschaue, was in der letzten Zeit so veröffentlicht worden ist. Aber das sollen Sie auch.

FRAGE: Zu der Erklärung gegen den Terrorismus, die sehr kurz und knapp ist: Hat es irgendwelche Überlegungen gegeben, hier auch etwas Konkreteres zu vereinbaren bzw. anzukündigen?

BK SCHRÖDER: Nein. Wir wollten auch ganz bewusst deutlich machen, dass es die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich, bei der Polizei, vor allen Dingen bei den Diensten und auch bei der Justiz seit langem gibt und dass jetzt nicht der Eindruck erweckt werden sollte, als hätten die Briten irgendetwas versäumt. Das stimmt nämlich nicht. Es gibt einen ganz regelmäßigen Austausch der Dienste untereinander, übrigens nicht nur innerhalb Europas, sondern auch zwischen Europa und den Freunden in Amerika und mit anderen Diensten, z. B. im Nahen Osten, in Asien und in Russland.

Deswegen war klar, damit man jetzt nicht den Eindruck erweckte, hier gäbe es Raum für Schuldzuweisungen: Die Zusammenarbeit läuft wirklich gut, besser als jemals zuvor. Man wird immer schauen müssen - das ist eine Sache der Fachleute -, wo man noch etwas besser machen kann; das ist ja ganz klar. Aber ich habe hier zum Ausdruck gebracht, und das ist auch meine feste Überzeugung: Wenn jemand im Bereich der inneren Sicherheit, wenn ich das einmal so sagen darf, nichts anbrennen lässt, dann ist es Bundesinnenminister Otto Schily, der dafür gelegentlich auch nicht ohne Kritik gelassen, aber von mir immer unterstützt wurde. - Vielen Dank. Kommen Sie gut nach Hause!

Ursprung: Bundesregierung

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